top of page

Schreibfluss statt Stillstand: Wie Du im Studium aus der Schreibblockade kommst

  • mpahl2
  • Jun 5, 2024
  • 5 min read

Schreibblockaden sind ein Phänomen, das im "Schreibbusiness" kontrovers diskutiert wird. Sie werden vor allem mit dem kreativen Schreiben in Verbindung gebracht, bei dem noch viel mehr davon ausgegangen wird, dass Kreativität und Inspiration wichtig sind für „gutes“ Schreiben. Wenn man also grad nicht von der Muse geküsst wird, sitzt man vor seinem weiß-gräulich strahlenden Bildschirm und starrt eine Zeitlang auf den Cursor, steht noch mal auf, macht sich ein Heißgetränk, setzt sich wieder, starrt.


Im wissenschaftlichen Schreiben gelten andere Anforderungen: Es steht vor dem Schreiben mehr oder weniger fest, was zu Papier gebracht werden soll, die Strukturen für wissenschaftliche Textformate sind klar, die Sprache kann nicht sonderlich experimentell sein. Es bedarf also weniger Inspiration und mehr Disziplin. Paul J. Silvia geht sogar so weit zu sagen, dass es Schreibblockaden im wissenschaftlichen Schreiben nicht gibt:

„Writer’s block is nothing more than the behavior of not writing. Saying that you can’t write because of writer’s block is merely saying that you can’t write because you aren’t writing.” (S. 44)

Vera Spillner positioniert sich ähnlich: “Wie gehe ich mit einer Schreibblockade um? Indem Sie sich nicht fallen lassen. Mithilfe Ihres Plans […] wissen Sie, was Sie am jeweiligen Tag zu tun haben.“ (S. 181) Dies klingt etwas wohlwollender, missachtet aber die Realität vieler Studierender, Promovierender und Nachwuchswissenschaftler, die sich zwar nicht „fallen lassen“, aber trotzdem nicht weiterkommen bzw. weiterschreiben. Ich habe zum Beispiel mindestens drei Personen in meinem Bekanntenkreis, die länger bzw. sehr lange studiert haben, weil sie die Abschlussarbeit nicht auf die Kette bekommen haben. Haben Sie sich fallen gelassen? Ich würde sagen, sie haben sich auf andere, vielleicht angenehmere Dinge in ihrem Leben konzentriert.


Nahaufnahme einer Hand, die mit einem Kugelschreiber im Notizbuch schreibt.
Statt an Bildschirm und Tastatur zu arbeiten mal zu Stift und Papier zu greifen kann für den Schreibfluss die Schotten öffnen.

Die Wurzeln des Schreibfrusts: Woher kommen Schreibblockaden?

Die Realität vieler Studierender und anderer wissenschaftlicher Autor*innen zeigt also, dass Schreibblockaden auch in der Wissenschaft ein Thema sind.

Die Ursachen von Schreibblockaden sind vielfältig und lassen sich grob in extern und intern kategorisieren:

Extern:

  • Fehlendes praktisches Wissen zu den Vorgaben der Universität oder Hochschule und einem angemessenen Vorgehen

  • Inhaltliche Herausforderungen: Das Thema interessiert dich nicht ausreichend oder überfordert dich. Lange Schreibprojekte erfordern oft viel Engagement und Ausdauer. Es kann schwierig sein, die Motivation aufrechtzuerhalten, besonders wenn das Thema nicht besonders inspirierend ist oder wenn der Schreibprozess langwierig erscheint.

Intern:

  • Schreibmythen / Glaubenssätze: Zuerst die Gliederung, dann der Text. Zuerst die Ergebnisse, dann das Schreiben. Ich muss genau wissen, was ich schreiben möchte. – Nein! Der Arbeitsplan muss nicht komplett fertig und durchdacht sein – du darfst auch schon vorher anfangen zu schreiben. Das ist sogar ganz gut, denn so trainierst du deinen Schreibmuskel, je öfter du schreibst, desto leichter geht es dir von der Hand.

  • Perfektionismus: Der (selbstgemachte) Druck, eine hochwertige akademische Arbeit zu produzieren, kann zum Stillstand beim Schreiben führen kann. Studierende könnten sich Sorgen machen, dass ihr Schreiben nicht gut genug ist, und sich so selbst daran hindern, überhaupt anzufangen oder fortzufahren.

  • Angst vor dem Versagen: Der Erfolgsdruck, der mit akademischem Schreiben verbunden ist, kann zu Angst vor dem Versagen führen. Diese Angst kann Studierende lähmen und sie daran hindern, ihre Arbeit überhaupt anzugehen.

  • Prokrastination: Dieses Phänomen muss eigentlich nicht erklärt werden, da es so weit verbreitet ist. Manche Studierenden sind erfolgreich damit, die schriftliche Arbeit bis kurz vor Toresschluss aufzuschieben, um sie dann mit Hochdruck niederzuschreiben. Andere leiden aber darunter, mit schlechtem Gewissen tausend andere Dinge zu tun, anstatt sich der Arbeit zu widmen.

 

Blockaden lösen: Bewährte Strategien um den Schreibfluss zu aktivieren

Schön und gut zu wissen, woher die Blockaden kommen - aber noch wichtiger sind natürlich die Ansätze, mit denen du sie bewältigen kannst.

Otto Kruse betont, wie wichtig es ist, einen kreativen Ansatz zu finden, denn oft – und das liegt in der Natur der Wissenschaft – ist die analytische und kritische Seite des Schreibens bei Studierenden zu dominant. Es fehlen Strategien, die kreative Prozesse in Gang bringen. Wenn du also akut feststeckst und nicht weiterweißt, helfen im ersten Schritt folgende Strategien.


Täglich schreiben:

Besonders, wenn das Schreiben sich zur echten Qual entwickelt hat, ist erstmal das Wichtigste, wieder positive Erfahrungen mit dem Schreiben zu machen. Und dabei kann tägliches, niederschwelliges Schreiben zum Beispiel eines persönlichen Tagebuchs oder eines auf die wissenschaftliche Arbeit bezogenen Logbooks oder Notizbuches sehr gute Dienste leisten. Wenn du es hinbekommst, jeden Tag deine Gedanken schriftlich zu sortieren, wird dir auch das „richtige“ Schreiben bald wieder leichter fallen.


Freies Schreiben:

Beim freien Schreiben schreibst du einfach drauf los, für einen festgelegten Zeitrahmen von 10 Minuten beispielsweise. Mit Stift und Papier oder in einem leeren Dokument lässt du den Worten einfach freien Lauf. Auf diese Weise aktivierst du den „Schreibkanal“ in deinem System, die Gedanken finden einen Weg aus deinem Bewusstsein aufs Papier. Die Methode ist weit verbreitet und wird auch in den sogenannten Morgenseiten angewendet. Bei den Morgenseiten wird direkt nach dem Aufstehen Schreibzeit eingeräumt, um den Kopf einmal zu leeren und strukturiert in den Tag zu starten.  


Fokussiertes freies Schreiben:

Das fokussierte freie Schreiben funktioniert wie freies Schreiben, allerdings wird vorweg das Thema festgelegt. Und hier ist es am sinnvollsten, wenn du dich dem Punkt widmest, an dem du gerade nicht weiterkommst. Du kannst frei-schreibend das Thema und dein Vorwissen erkunden, alle Fragen, die du dazu hast, verschriftlichen und dich in die Widersprüche und Lücken des Themas vorfühlen, ohne dich durch Konventionen der Sprache oder Wissenschaft aufhalten zu lassen. Lass einfach alles aufs Papier fließen, ohne auf Grammatik oder Rechtschreibung zu achten.



Eine Kaffeetasse und eine Vase mit Blumen auf einem Holztisch
Ein paar Blumen auf dem Schreibtisch sorgen für eine schöne Atmosphäre beim Schreiben.

Anfangen/ weitermachen wo es Spaß macht:

Eine wissenschaftliche Arbeit kann wie ein Flickenteppich entstehen, und die Teile ergeben am Ende ein Ganzes. Vor allem bei längeren Arbeiten ist das üblich. Das heißt, du musst die Teile nicht in der Reihenfolge verfassen, wie sie im finalen Produkt erscheinen. Fang mit einem Aspekt aus deiner Gliederung an, der dich gerade reizt.


Wissenschaftliches Logbuch / Journal:

Ein Logbuch, Journal oder schlicht Notizbuch für deine wissenschaftliche Arbeit sollte ein selbstverständlicher Teil deines Studiums werden. Hier notierst Du Fragen, Notizen zu Texten, Einfälle, die dir beim Sport kommen, neue Verknüpfungen, wichtige Zitate (und wo sie zu finden sind), Projektideen, Themen, die du weiterverfolgen möchtest – alles, was grad wichtig ist. Dieses Notizbuch sollte dich fast überallhin begleiten und dich so auch animieren, (annähernd) jeden Tag über deine Arbeit nachzudenken. So bleibst du in Verbindung mit deiner Forschung und es fällt dir leichter in den Schreibfluss zu kommen, wenn Du dich zum Schreiben hinsetzt. Ein Logbuch, in dem du einerseits informell deine Ideen und Gedanken sammelst, aber es andererseits klar um deine Interessen, Gedanken, Erfahrungen geht, hilft dir, einen stärkeren Bezug zu deiner Position in deiner Disziplin zu entwickeln. Außerdem baust du über die Zeit ein Archiv deiner Gedanken und Ideen auf, auf die du jederzeit zurückgreifen kannst.


Mach es Dir schön beim Schreiben:

Sorge dafür, dass es dir gut geht, wenn Du an den Schreibtisch gehst - sei also satt, ausgeruht, bring Dir ein Getränk deiner Wahl mit. Niemand sollte dich brauchen für die nächste Stunde: Melde Dich ab bei deinen Liebsten, falls du nicht in der Kernarbeitszeit schreiben kannst, oder stell einen Termin in deinem Kalender ein, so dass deine Kollegen wissen, dass Du beschäftigt bist. Dein Arbeitsplatz sollte aufgeräumt sein, und wenn das deins ist, solltest Du auch manchmal Blumen da stehen haben.


Silvia und Spillner sind sich einig: Auf lange Sicht gelingt produktives Schreiben am besten mit einem festen Zeitplan, der zur Routine etabliert wird (dazu demnächst mehr hier ;-) ). Die Bewältigung einer Schreibblockade im akademischen Kontext erfordert oft ähnliche Strategien wie beim kreativen Schreiben. Es ist wichtig für Studierende, sich bewusst zu machen, dass Schreibblockaden normal sind und dass es Wege gibt, sie zu überwinden.


Wenn Du Schwierigkeiten mit dem Schreiben hast, melde dich gerne bei mir, und wir helfen deinem Schreibfluss gemeinsam auf die Sprünge. Ich bin da gut drin ;-)



Quellen:

Bensberg, G. (2021). Survivalguide Studium: Quickguide zu weniger Stress und guten Noten (3., vollständig überarbeitete Auflage). Springer.

Kruse, O. (2005). Keine Angst vor dem leeren Blatt: Ohne Schreibblockaden durchs Studium (11. Aufl). Campus-Verl.

Silvia, P. J. (2019). How to write a lot: A practical guide to productive academic writing (Second edition). American Psychological Association.

Spillner, V. (2023). Sprechstunde Bachelorarbeit und Masterarbeit: In 10 Schritten ohne Stress und Zweifel zum Erfolg bei wissenschaftlichen Arbeiten. Springer.

Comments


bottom of page