top of page

Textverständlichkeit in der Wissenschaft: Sollte selbstverständlich sein!

  • mpahl2
  • Nov 23, 2023
  • 3 min read

Updated: Apr 1

Wissenschaftssprache gilt als trocken, unnötig kompliziert und schwer verständlich. Schwer verständlich zu schreiben sollte aber nicht das Ziel sein für, weder für gestandene Wissenschaftler*innen noch für diejenigen, die gerade in die Wissenschaftssprache hineinwachsen. In wissenschaftlichen Arbeiten wie der Bachelor- und Masterarbeit ist es wichtig, verständlich zu schreiben - denn darum geht es beim Schreiben.


Wer meinen Text nicht versteht, ist selbst schuld - so scheint immer wieder die Herangehensweise von Wissenschaftler:innen an das Schreiben zu sein.


Aber so einfach ist das nicht.


Ich denke, so manche*r Akademiker*in sollte sich etwas mehr Mühe geben, verständlich zu schreiben. Texte - auch wissenschaftliche Arbeiten - sollen verständlich geschrieben sein. Das ist umso erstrebenswerter, wenn die behandelten Themen selbst schon komplex und schwer zu greifen sind. Deswegen ist es von der ersten Hausarbeit an sinnvoll, sich eine verständliche Schreibweise anzugewöhnen.



Plan der U-Bahnlinien von London als Symbolbild für eine Textgliederung
Eine verständliche Gliederung ist wie ein Stadtplan, mit dem du durch deinen Text navigierst.

Verständlichkeit ist ein Qualitätsmerkmal eines Textes. Jeder Text hat eine "kommunikative Funktion" - was soll vermittelt werden? Sollen Informationen festgehalten werden, geht es um's Überzeugen oder Unterhaltung? Die kommunikative Funktion ist bestimmt durch den Zweck des Textes, sowie durch Merkmale des Sendenden und des Adressaten. Für wen ist ein Text geschrieben? In wissenschaftlichen Texten geht es vor allem darum, Wissen festzuhalten, zu generieren und zu verhandeln. Wenn ein Text nicht verstanden wird, erfüllt dieser nicht seine „kommunikative Funktion“.


Zudem öffnet sich die Wissenschaft und soll ein inklusiverer Ort werden. Geschriebene Sprache, die unnötig kompliziert ist, schließt Personengruppen aus dem wissenschaftlichen Diskurs aus. Die Wissenschaftssprache ist eine zusätzliche Hürde für Studierende aus nicht-akademischen Hintergründen, die sich an der Universität zurecht finden sollen.


Dem steht gegenüber, dass ein Fachdiskurs sich natürlich von Wissenschaftskommunikation für die Allgemeinheit unterscheiden muss. Fachtermini und präzise Formulierungen sind unerlässlich, wenn komplizierte Sachverhalte erklärt werden.


Texte sind Dienstleistungen für Leser:innen. Orientiere dich (auch) an deiner Leserschaft, wenn du schreibst.

Die vier Dimensionen der Textverständlichkeit


Die vier Dimensionen der Textverständlichkeit nach dem Hamburger Modell machen deutlich, worauf wir achten können, um verständlich zu schreiben.


Nach diesem Verständlichkeitskonzept bestimmen Wort- und Satzmerkmale sowie die Gliederung und Organisation des Textes seine Verständlichkeit.

Die folgenden vier Dimensionen bestimmen, wie verständlich ein Text ist:


  1. Einfachheit: Verständliche Worte und ein einfacher Satzbau sind zwei Merkmale für die Verständlichkeit eines Textes. In einem verständlichen Text werden zum Beispiel Fachwörter erklärt. In der Wissenschaft bringt die Komplexität der behandelten Themen bereits einen gewissen Schwierigkeitsgrad mit sich - es ist also eigentlich unmöglich, wissenschaftlich und "einfach" zu schreiben. Deswegen gilt:

  2. Gliederung und Ordnung: Eine gute Gliederung ermöglicht der Leserin, die Schritte im Text mitzugehen. Sind die Teile wirr und zusammenhanglos, dann ist es schwer zu folgen und die Inhalte können nur schwer erfasst werden.

  3. Kürze und Prägnanz: Ein Text kann sehr kurz gehalten sein oder weitschweifig erzählen und sich auch mit Unnötigem aufhalten.

  4. Zusätzliche Anregungen: Kleine Anekdoten und bildhafte Vergleiche sind zusätzliche Anregungen, die den Text beleben und die Leserin animieren weiterzulesen. Sie sind das Salz in der Suppe des wissenschaftlichen Textes. Am Esstisch wie am Schreibtisch gilt: Unerlässlich, aber nicht versalzen


Je nach Textart sind hier unterschiedliche Grade der verschiedenen Dimensionen anzupeilen. Wenn Du zum Beispiel für ein Fachpublikum in deiner Disziplin schreibst, musst du nur wenige Fachbegriffe erklären, während das schon ganz anders aussieht, wenn Du für ein breiteres Publikum schreibst.


Warum sollte meine Abschlussarbeit verständlich geschrieben sein?


Man hört immer wieder Beschwerden, dass ein*e Gutachter*in ja offensichtlich eine Arbeit nicht vollständig gelesen hätte. Diese Beschwerden werden meist etwas selbstgerecht und beleidigt geäußert. Aber ich frage mich dann, ob es vielleicht am Text gelegen hat.

Denn Gutachter*innen, genau wie die meisten anderen Menschen, haben keine Zeit zu verschenken. Sie beschweren sich nicht über Langeweile oder zu wenig zu tun, sondern müssen eher schauen, wo sie sich in ihrem Arbeitstag noch Zeit freischaufeln können. Eine Abschlussarbeit, eine Dissertation, einen Forschungsantrag zu lesen, das sind meist die Add-ons im Tagesgeschäft einer Professorin, das wird also nebenbei gemacht. Auf einer Zugfahrt, oder in Etappen, zuerst ein Teil am Frühstückstisch, dann ein bisschen in der S-Bahn, und der Rest wenn man im Büro ankommt. Ich behaupte mal, dass ein großer Teil von Bachelor- und Masterarbeiten nicht mit voller Konzentration in einem ruhigen Büro gelesen werden.


Und daraus folgt, dass es umso wichtiger ist, dass deine Arbeit glasklar und verständlich geschrieben ist. So fällt es jedem Gutachter leicht, sich zu erinnern, was zuletzt "geschah", und den Faden wieder aufzunehmen. Und du kannst eher davon ausgehen, dass deine Arbeit tatsächlich von der ersten bis zur letzten Seite gelesen wird.


Comentários


bottom of page